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Nachruf auf „unsere“ Frau Stainer

(10.02.1922 in Bocholt – 16.03.2021 in Augsburg)

Wenige Wochen nach ihrem 99. Geburtstag, den sie noch geistig und weitestgehend körperlich
fit begehen konnte, verstarb am 16. März dieses Jahres „unsere“ Elisabeth Stainer, die
im Privaten von allen nur Liesel genannt wurde. Gefühlt ganz Hochzoll kannte sie, nicht nur
die Mitglieder der DJK. Wenn ich, ihre Nachfolgerin in der Ballettabteilung, im Stadtteil unterwegs
war, wurde ich regelmäßig nach ihrem Wohlergehen gefragt, immer mit warmer
Anteilnahme an dieser „unglaublichen Frau“. Mit der ihr eigenen unnachahmlichen Mischung
aus menschlicher Zugewandtheit, absoluter Verlässlichkeit, Organisationstalent und
Durchsetzungsfähigkeit wurde sie zu einer Institution und prägte ganze Generationen von
Hochzoller Ballettelevinnen und -eleven.

Vielleicht liebte Liesel Stainer das Ballett so sehr, weil es in exemplarischer Weise Disziplin
und Kreativität vereint, die auch in ihrem Leben eine besondere Verbindung eingingen. Aus
einer kinderreichen, im katholischen Glauben verwurzelten Familie stammend, in der sie
früh sozialen Zusammenhalt ebenso wie Selbstdisziplin vermittelt bekam, verließ sie nach
dem Abitur 1940 ihre niederrheinische Heimat. Als junge Frau im nationalsozialistischen
Deutschland mitten im Krieg dem Fernweh und dem Drang zur Selbstverwirklichung nachzugeben,
bewies Mut und machte ihren starken Charakter nur noch stärker. Nach verschiedenen
Stationen und Kriegserlebnissen u.a. in Ostpreußen, Friedrichshafen und Wien führte
sie ihr Weg nach Augsburg, wo sie Wurzeln schlug, bei der Stadt in ihrem erlernten Beruf als
„Fürsorgerin“ – heute würde man Sozialarbeiterin sagen – angestellt wurde und schließlich
eine Familie gründete, für die sie ihren Beruf aufgab. Da die Rolle einer „Nur“-Hausfrau und
-Mutter sie nicht ausfüllte, widmete sie sich ihrer großen Leidenschaft für Sport, Gymnastik
und Tanz für sich selbst und – wie könnte es auch anders sein – für andere.
In unserem Verein und seinen Vorgängerorganisationen wirkte Liesel Stainer sowohl aktiv
als Übungsleiterin als auch als ehrenamtliche Funktionärin zusammen mit ihrem Mann Leo,
der vor knapp zwei Jahren – ebenfalls hochbetagt – von uns ging, über viele Jahrzehnte mit
größtem Engagement in mannigfachen Bereichen und erhielt dafür die verschiedensten
Ehrungen. Diesen Werdegang kann man aus berufenerem Mund in der Würdigung durch
Christian Liebl, unseren verdienten Breitensportfunktionär und Vorsitzenden des Diözesanverbandes,
nachlesen. Was sie für uns so besonders macht, war ihre Initiative, Anfang der
70er Jahre in einem herkömmlichen Mehrsparten-Sportverein eine Ballettabteilung ins Leben
zu rufen, die als niederschwelliges Angebot – so würde man das heute nennen – das
eher „elitäre“ klassische Ballett einer breiten Schicht zugänglich machte. Gespart wurde
dabei lediglich an den äußeren Bedingungen mit pragmatischen Lösungen, um einen Ballettsaal
in der Sporthalle zu kreieren, nie aber an der Qualität des Angebots. Zusammen mit
ihrem Mann, der als Kassenwart und tatkräftiger Helfer beim Aufbau der Geräte unermüdlich
seiner Frau auch hierbei zur Seite stand, gelang es ihr, zum Teil über hervorragende persönliche
Beziehungen, erst das Ehepaar König und dann Dimas Casinha und Erich Payer von
der renommierten Augsburger Ballettakademie Payer als Ballettmeister zu engagieren. Dieses
Modell funktioniert und „lebt“ bis heute.

Ideen und Initiative sind das eine, ihre gelungene Umsetzung das andere, aber erst das entsprechende
Durchhaltevermögen verhelfen Dingen zum dauerhaften Erfolg. Den dafür nötigen
langen Atem besaß Liesel Stainer in ganz außergewöhnlichem Maß: Ohne je selbst Ballett
getanzt zu haben, betreute sie mit großem Sachverstand und ebenso großer Liebe über
vierzig Jahre lang die zunächst vier Ballettgruppen des Vereins für Kinder und Jugendliche
von vier bis 17 Jahren, führte akribisch Buch über jedes Mitglied, verwaltete einen Weiterverkauf
gebrauchter Ballettkleidung und -schuhe und organisierte die jährliche Matinee zum
Abschluss und als krönender Höhepunkt des Ballettjahres. Dafür wurden Flyer und Einladungen
entworfen, Fotos aller Beteiligten während der Generalproben geschossen und an
die Familien verkauft, der wachsende Fundus an Kostümen gepflegt und neue besorgt. Jahr
für Jahr erging der Aufruf zum Dekorieren und Bestuhlen der Halle, immer fand sie Helfer,
aber war trotzdem auch im hohen Alter stets selbst tatkräftig dabei und verlor nie weder
den Überblick noch die Freude an dieser Aufgabe. Jede Matinee, die ich erleben durfte, war
bei Aktiven wie Zuschauern – darunter immer auch geladene Ehrengäste – ein großer Erfolg.
Noch gegen Ende ihrer Zeit als Abteilungsleiterin besaß sie den Mut und die Weitsicht, mit
einer fünften Gruppe für Erwachsene Neuland zu betreten. Diese Gruppe ist mittlerweile die
kontinuierlichste und größte aller unserer Gruppen.

Als Liesel Stainer schließlich nach mehr als vier Jahrzehnten in der Verantwortung und jahrelanger
Suche nach einer Nachfolgerin die Abteilung im Dezember des Jahres 2014 übergab,
geschah dies – natürlich – in perfekt vorbereiteter Weise. Sogar die gefüllten Weihnachtssäckchen
für alle Aktiven und die zuschauenden Geschwisterkinder bei der traditionellen
„Vorführstunde“ am letzten Trainingsfreitag vor Weihnachten waren fertig, ich musste sie
nur noch verteilen! So engagiert und allgegenwärtig Liesel Stainer über die Jahrzehnte gewesen
war, so wenig Aufhebens wollte sie um ihren Abgang machen. Selbst bei der erwähnten
Weihnachtsfeier weigerte sie sich, anwesend zu sein. Also dachten wir uns etwas anderes
aus, um sie im angemessenen Rahmen zu verabschieden: Die darauffolgende Matinee
im Sommer 2015 endete mit einem von Dimas Casinha für „unsere Frau Stainer“ extra choreografierten
kleinen Huldigungstanz aller fünf Gruppen. Die Bilder von dieser Verabschiedung
zeigen die „Grande Dame“ des Balletts der DJK Augsburg-Hochzoll auf ihrem „Thronsessel“
strahlend inmitten aller kleinen und großen Ballettelevinnen und -eleven. So werden
wir sie mit großer Dankbarkeit in unseren Herzen behalten.

(Text: Ulla Münch/Bilder: Solveig Mordstein)